"Le mariage de la grosse Cathos" mit Ken Pierce

Das Interesse an dem Kurs ist gross - es sind nur noch wenige Plätze frei - bitte umgehend anmelden

Die Hochzeit der Dicken Käthe Eine Maskerade am Versailler Hof 1688 und ihre Tänze Ein Tanzkurs der besonderen und seltenen Art wird diesen Herbst in Bad Rappenau stattfinden. Vom 29. Oktober bis 6. November 2010 treffen sich historische Tänzer aus verschiedenen europäischen Ländern im Rappenauer Wasserschlösschen, um ein barockes Tanztheater von 1688 kennenzulernen. Unter der Anleitung eines Spezialisten für barocken Bühnentanz werden sie die Gesamtchoreographie des am Hofe von Ludwig XIV. aufgeführten Balletts erlernen.

Das Stück, eine Burleske über den Topos einer Dorfhochzeit, wurde unter dem komischen Titel (Die Hochzeit der dicken Käthe) vermutlich einst in den Privatgemächern der Princesse de Conti, legitimierte uneheliche Tochter König Ludwigs, in Versailles für sie und ihren ebenso balletophilen Halbbruder, den Dauphin aufgeführt. Die 28 beteiligten Instrumentalisten, Sänger, Komödianten und Tänzer gehörten zur künstlerischen Elite des Landes und standen fast alle im Sold des Sonnenkönigs.

Das Musiktheater seichten Inhalts beginnt mit der Ankündigung der Hochzeit einer gargantuesken Dienstmagd (dicke Käthe), deren einziges Interesse dem Essen gilt, mit ihrem Bauerntölpel La Couture. Die folgenden rustikalen Hochzeitsfeierlichkeiten mit ihren obligatorischen Charakteren aus dem komischen Genre (aufgeblasene Bürger, Schurken, Betrunkene, ein streitsüchtiger Priester) enden in der traditionellen Serenade, in Form eines Charivari, das die Hochzeitsnacht unterbricht.

Die Melange aus Instrumentalmusik, Gesang, Tanz und eingestreuten Commedia dell’ Arte-Szenen war eines unter vielen höfischen Divertissements zur Karnevalszeit 1688 in Versailles, ein durchaus typischer, mit seiner etwa 40minütigen Spielzeit aber eher bescheidener Vertreter eines gängigen Unterhaltungsgenres. Außergewöhnlich an dieser Maskerade ist, dass sie nicht wie die vielen theatralischen Eintagsfliegen dem üblichen Vergessen anheimfiel, sondern sorgfältig schriftlich festgehalten und in der königlichen Bibliothek aufbewahrt wurde. Heute ist ihr künstlerischer Wert weit bedeutender und sie gilt als ein ballet- und bühnengeschichtlicher Glücksfall. Diesen Zuwachs an Renommee verdankt sie aber nicht nur ihrem außergewöhnlichen Schicksal, sondern auch, dass sie als Unikat in nahezu lückenloser Form überlebt hat: die Musik in Partitur, der gesamte Text (die gesungenen Texte wie auch die gespochenen Dialoge im Stil der comédie italienne), Choreographien und Bühnenanweisungen, alles ist noch vorhanden. Damit ist sie als einziges Bühnenwerk ihrer Epoche d a s Beispiel eines kompletten barocken Musik- und Tanztheaters und einmaliges Zeugnis originaler Aufführungspraxis.

Die Maskerade ist vor allem ein Leckerbissen für historische Tänzer. Zehn Tänze sind erhalten (nur zwei Solopartien sind nicht überliefert). Das Stück wird umrahmt von einem Marsch für neun Instrumentalisten, acht Tänzern und neun Sängern, eine choreographische Rarität, da selbst die Raumwege der mitmarschierenden Musiker überliefert sind. Eine Folge verschiedener Entrées für wechselnde Besetzungen von Tänzern entfalten im Mittelteil den Stil der barocken Tanztypen wie Gigue, Menuett, Rigaudon und Passepied. Als besonderer Knüller eine „Air“ für zwei Betrunkene, in der sich Momente der Nüchternheit und Virtuosität mit Fehltritten der orientierungslosen und bisweilen aus dem Takt geratenen Tänzer ablösen und an alte Harlekinaden oder moderne Slapstickszenen erinnern.

Die Autoren des Stücks waren beide am Versailler Hof angestellt. Der Komponist André Danican Philidor (ca. 1646 – 1730), Spross einer berühmten Bläserdynastie, war Musiker und ab 1680 Bibliothekar und Kopist der königlichen Musiksammlung. Der Choreograph und Mitwirkende Jean Favier l’Aîné (1648 – 1719?), der aus einer Familie von Streichern kam, war einer der führenden Tänzer am Hof und Tanzlehrer der Dauphine (das Berufsfeld Geigenspiel und Tanz fiel damals oft zusammen). Er hatte seine tänzerische Karriere bereits als 12jähriger Mitwirkender einer Lully-Oper begonnen.

Auch notationsgeschichtlich ist die Maskerade von großer Bedeutung. Vermutlich vom Choreogaphen selbst schriftlich festgehalten, hat Jean Favier mit der Notation seiner Tänze nicht nur ein einmaliges Dokument für die Nachwelt geschaffen, sondern auch ein eigenes System auf Notenpapier dafür entwickelt. Mit ihm sind Schritte und Raumwege in direktem Bezug zur Begleitmusik darstellbar. Es war damals das nach unserer derzeitigen Kenntnis präziseste Darstellungsschema, das von seinen Kollegen und Nachfolgern jedoch nicht übernommen wurde. Eine von dem zeitgenössischen Tanzmeister Pierre Beauchamp erfundene und von Raoul Auger Feuillet publizierte Schrift – übersichtlicher und platzsparender in der Darstellung - setzte sich im 18. Jahrhundert europaweit durch. Die Maskerade ist das einzige Zeugnis für Faviers Schrift, aber vor allem ist sie eine um 12 Jahre vor Feuillet belegte Notation und damit tanzgeschichtlich enorm bedeutsam als früher Nachweis für das barocke Schrittrepertoire.

Ein hochkarätig besetztes Possenstück, das auf Bühnentechnik weitgehend verzichtete und seine Opulenz eher einer prächtigen Kostümierung zu verdanken hatte. Die Handlung ist minimalisiert, gleicht vielmehr einer Sequenz von Einzelszenen. Für Insider urkomisch – in seiner Absicht, die Gesellschaft satirisch aufs Korn zu nehmen und dicke Seitenhiebe auf die den Zuschauern wohlvertrauten Opernkonventionen Lullys (der im Vorjahr gestorben war) auszuteilen, das Ganze auf die Spitze getrieben durch die Besetzung aller, auch der Frauenrollen, durch Männer. Gespreizte Sprache für banale Aussage, opernhafte Clichés versus burleske Realität und imMittelpunkt des Stücks die Braut (die vielleicht schon längst ihre Unschuld verloren hat . . . *) : ein wohlgenährter Bariton im Weiberrock.

*Französisch ist doppeldeutig und kann entweder eine dicke oder eine schwangere Frau bezeichnen.

Mit Ken Pierce (Cambridge / USA) - Choreograph, Tänzer, Lehrender und Tanzforscher im Bereich Historischer Bühnen- und Gesellschaftstanz - konnte als Referent für den Workshop ein namhafter Spezialist gewonnen werden. Er war tanzpraktischer Berater von Rebecca Harris-Warrick und Carol G. Marsh bei ihrer Edition „Musical Theatre at the Court of Louis XIV. Le Mariage de la Grosse Cathos“ (Cambridge Musical Texts and Monographs), Cambridge 1994 und brachte das Stück beim Amherst EarlyMusic Festival auf die Bühne. Ken Pierce absolvierte seine Tanzausbildung in Ballett und Modern Dance an der American Ballet Theatre School und dem Merce Cunningham Studio. Sein Mitwirken bei zahlreichen renommierten Historischen Tanzensembles (u.a. Gründungsmitglied des Barocktanztrios Hémiole, Paris) sowie seine Lehrtätigkeit führten und führen ihn häufig nach Europa. Als Choreographieassistent von Francine Lancelot (Ris et Danseries, Paris) war er an der Pariser Oper für die Produktion mit Rudolph Nureyev beteiligt. Mit seiner eigenen Truppe, der Ken Pierce Baroque Dance Company, arbeitet er mit namhaften Ensembles für Alte Musik zusammen. Er leitet den Bereich „Early dance“ an der Longy School of Music (Cambridge).
Mehr Information zu seinem künstlerischen und wissenschaftlichen Schaffen: http://web.mit.edu/kpierce/www Die Veranstaltung wird getragen vom Verein Klang Kunst Konzepte e.V. und dem Kulturamt der Stadt Bad Rappenau. Das Projekt ist eine Initiative von Nicoline Winkler (Historischer Tanz; Spezialgebiet: Erforschung und Aufführungspraxis des Gesellschafts- und Bühnentanzes im Frühbarock) im Rahmen einer Reihe von Seminaren zur Erforschung der Tanzgeschichte des 17. Jahrhunderts und wird von ihr organisiert.

Teilnahmegebühr: 250,- Euro

Kontaktadresse: Nicoline Winkler, Im Grazert 13, 69412 Eberbach Tel./Fax: 06271/71306 Email: Nicoline.Winkler@web.de

Wasserschloss Bad Rappenau

Hinter dem Schloss 1
74906 Bad Rappenau
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Choreograph, Tänzer, Lehrender und Tanzforscher im Bereich Historischer Bühnen- und Gesellschaftstanz. Er war tanzpraktischer Berater von Rebecca Harris-... read more

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